Artikel: Nudge hat’s - durch Green Nudging die Mitarbeitendenmobilität positiv verändern
Am 31.05.2023 waren wir mit unserem driversity Format „Dialogwerkstatt“ beim Hasso-Plattner-Institute im kreativen Potsdam.Thema: „Green Nudging“ im betrieblichen Kontext.Oder auf Deutsch: „Anstupsen ohne zu Schubsen“.Also was können Unternehmen tun, damit sich ihre Mitarbeitenden aus sich heraus für grüne Mobilitätslösungen entscheiden. Durch erhellende Praxisbeispiele, spannende Interviews und aktives Kreativwerden im Design Thinking Prozess haben wir gelernt, dass es verdammt wichtig ist aufrichtig zuzuhören, live zusammen zu kommen und die Belange jeder Person ernst zu nehmen - ohne sie zu bevormunden oder zu manipulieren.
Make Sense.
„Green Nudging – Anstupsen ohne zu schubsen!“
Aber wie geht das eigentlich?
Um diese Frage zu verstehen und die first steps zu gehen, lud driversity am 31. Mai 2023 zur „Dialogwerkstatt“ nach Potsdam ein.
Eingang des Hasso Plattner Institut
Was für einen Unterschied eine Fliege machen kann!
Beim Versuch, die Kosten zu senken, fiel der Finanzbuchhaltung des Flughafens Schiphol in Amsterdam auf, dass ein großer Ausgabeposten die Reinigung der Herrentoiletten war. Die Besucher verfehlten anscheinend reihenweise die Pissoirs. Darum bediente sich der Flughafenmanager eines Tricks: Um die Zielgenauigkeit zu erhöhen, ließ er das Bild einer Fliege in die Urinale kleben. Das Konzept ging auf – die Urinreste auf dem Boden reduzierten sich um 80 Prozent.
Mit diesem eindrucksvollen Beispiel startete Dr. Annamina Rieder von der Universität St. Gallen ihren Vortrag: Digital Nudging: Ein kleiner Schubs zur nachhaltigen Mobilität. Sie eröffnete als Speakerin die driversity Dialogwerkstatt zum Thema „Green Nudging“, die in Kooperation mit dem Hasso Plattner Institut stattfand. Design-Thinking-Expertin Franziska Hamann sowie Michael Birk und Dirk Bösicke aus dem Strategischen Kunden- und Projektmanagement der DB Fernverkehr AG, begrüßten zunächst die interessierten Teilnehmenden, die vor allem aus den Bereichen Travel- und Flottenmanagement, Corporate Social Responsibility und Human Resources kamen.
Die Teilnehmenden kamen aus unterschiedlichen Branchen und mit unterschiedlichen Anliegen:
„Wir möchten den Anteil inländischer Flugbuchungen deutlich reduzieren“,
erklärte Janina Hansmann, Sustainability Managerin bei der Funke Mediengruppe.
„Das Thema Nudging hat mich sehr interessiert, da ich von Verboten als Regelungsmechanismus der Policy Compliance nicht überzeugt bin“, so Ben Park, Executive Director, Travel & Sustainability beim klinischen Forschungsinstitut Parexel: „Es hilft der Zufriedenheit mit dem Reiseprogram nicht und die Mitarbeitenden sollen weitgehende Freiheiten in einem Rahmen haben.“
Was genau steckt hinter dem Begriff „Nudging“?
„Ein Nudge ist ein Gestaltungselement, das menschliche Entscheidungen oder Verhalten auf vorhersehbare Weise beeinflusst.“
Green Nudges sollen helfen, ökologisches Verhalten zu vereinfachen und Gewohnheiten zu durchbrechen. Und zwar nicht durch Verbote oder Belohnungen, sondern durch einen kleinen Stupser in eine bestimmte Richtung. Das Konzept dahinter: Viele Menschen finden Nachhaltigkeit gut und wichtig, setzen diese Einstellung aber nicht in ihrem Alltag um. Nudges sollen diese Lücke schließen oder zumindest der Impuls dazu sein, etwas zu ändern.
Der Nudging Werkzeugkoffer
„Green Nudges nutzen oftmals soziale Motivatoren: Man hat zum Beispiel eine höhere Bereitschaft, ein nachhaltiges Verkehrsmittel für die nächste Ferienreise zu wählen, wenn leicht negatives Feedback von Vergleichsgruppe droht“,
erklärte Annamina. Ein Problem sei jedoch oftmals, dass Verhalten und Konsequenz zeitlich weit auseinanderliegen würden. Worauf man bei der Umsetzung von Nudging-Ideen achten sollte? Die Wissenschaftlerin präsentierte dazu einen Werkzeugkoffer mit verschiedenen Tools:
#1 Know your users
Genau die Bedürfnisse der Zielgruppe kennen, um die Leute mitnehmen zu können.
#2 Align interest
Alle Interessen beachten, so dass alle Parteien von dem Ergebnis profitieren.
#3 Freedom of choice
Auf keinen Fall die Entscheidungsfreiheit einschränken, das führt zu Reaktanz.
#4 Make Sense
Ohne Vision kann man niemanden überzeugen.
Interviews im Design Thinking Modus
Mit diesem Koffer ausgerüstet ging es dann für die Teilnehmenden in drei parallele Workshops, die durch die driversity Coaches Frederic Sattler, Tim Meyer und Dirk Bösicke begleitet wurden. Jede Gruppe interviewte zunächst eine Person, die eigens für diesen Tag eingeladen wurde, um gleich einmal Tool #1 „Know your users“ anzuwenden. Basierend auf den Wünschen und den alltäglichen Herausforderungen der Interviewten wurden dann Ideen und konkrete Lösungsansätze entwickelt. Auch Fragestellungen aus dem eigenen Unternehmen konnten eingebracht und im Team besprochen werden.
Aber schon beim ersten Punkt – Bedürfnisse der Zielgruppe richtig einschätzen – erlebten die Teilnehmenden eine Überraschung:
- „Die Umwelt schützen“
- „Schneller und flexibler zu sein“
- „Etwas für die Gesundheit tun“:
Das waren Antworten, die eines der drei Teams auf die Frage „Was wären Anreize, um dein Reiseverhalten zu ändern?“ erwartetet hätte.
Tatsächlich nannte der Interviewte als wichtigsten Grund: „Geld sparen!!“ Große Augen beim Team, das aus Travel- Fleet- und Sustainability-Managerinnen bestand: „Den Punkt haben wir nicht beachtet.“
Auch für Ben Park ein wichtiges Learning: „Was ich aus dem Tag mitgenommen habe? Immer genau nachzufragen, wieso eine Entscheidung getroffen wird und keine Annahmen zu machen.“ Janina Hansmann über ihren Aha-Moment: „Mir war nicht bewusst, dass beim Nudging immer auch das Risiko einer Reaktanz mit beachtet werden muss.“
Zwei Merksätze aus dem Workshop
ENCOURAGE WILD IDEAS steht in Leuchtschrift an einer Wand des Hasso Plattner Instituts. Kann es ein besseres Motto für diesen Tag geben? Neben einem inspirierenden Vortrag freuten sich die Teilnehmenden über viele neue Ideen und Anregungen:
„Wir haben uns über den Austausch mit Menschen aus anderen Unternehmen gefreut und werden die erarbeiteten Maßnahmen intern diskutieren“, so das Fazit von Janina Hansmann.
Und Ben Park ist klargeworden: „Es ist nicht die Frage, ob jede Firma grüner wird, sondern wie sie es wird.“
Mareen Walus, Sustainability Managerin und Luisa Fournes, Leiterin Travel Management bei der Noerr Partnerschaftsgesellschaft mbB, begrüßten ebenfalls die vielen neuen Impulse: „Wir werden nun Green Nudging als Ansatz nutzen, um unsere Kollegen und Kolleginnen auf dem Weg zu einem noch nachhaltigeren Mobilitätsverhalten zu unterstützen.“
Auch Maria Forst, Travel & Fleet Managerin bei Scout24 SE, ließ sich von der Dialogwerkstatt inspirieren:
„Wie einfach Green Nudging doch sein kann, habe ich bei den vielen Beiträgen und dem Workshop gelernt. Das große und unerwartete `Wow´ gab’s für mich beim Lunch: Da wurde ich ganz unauffällig von einer CO2-Ampel angestupst, mein Essen auszuwählen – hat geklappt und fand ich wunderbar. Lecker war’s natürlich auch.“
Eindrücke aus dem Workshop
von Iris Soltau für driversity am 07.06.2023